Toxische Positivität - Warum es schädlich ist, immer nur positiv denken zu wollen und was du stattdessen tun solltest

Toxische Positivität: Warum es schädlich ist, immer nur positiv denken zu wollen und was du stattdessen tun solltest

“Good vibes only!”

“Es wird schon alles gut.”

“Du musst nur positiv denken.”

Wir alle kennen diese und andere ähnliche Sätze, die uns aufheitern und positiv in die Zukunft blicken lassen sollen. Und wir folgen dem gerne, weil wir ja nicht zu den negativ denkenden Menschen dieser Welt zählen wollen, nicht wahr?

Klar: Es ist völlig kontraproduktiv, sich negativen Gedankenspiralen hinzugeben. Das bringt niemanden weiter. Aber krampfhaft überall das Gute und Positive sehen und denken zu wollen, ist auf Dauer mindestens genauso schädlich.

In diesem Beitrag erfährst du, welche Situation, die ich gerade erst selbst erlebt habe, dazu geführt hat, diesen Beitrag schreiben zu wollen und ich erkläre dir, was toxische Positivität ist, warum krampfhaftes positives Denken schädlich ist und was du stattdessen tun solltest.

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“Was ist das Gute an dieser Situation?” – Meine persönliche Erfahrung mit dem Thema

Ich hatte schon länger die Idee, einen Beitrag zu diesem Thema zu verfassen, und nun war die Zeit reif. Denn gerade vor ein paar Tagen habe ich mich dabei erwischt, aus negativen Gefühlen sofort aussteigen zu wollen, weil es unangenehm war.

Ich hatte mich mit 2 Vorschlägen für einen Vortrag und einen Workshop bei einer Konferenz beworben und bekam vor einigen Tagen eine Absage für beide Vorschläge. Es war also klar: Ich fahre zwar zur Konferenz (denn das hatte ich ohnehin vor), aber ich würde dort nicht leider nicht vor Publikum über meine Lieblingsthemen sprechen können.

Sofort, als ich die Nachricht erhielt, verspürte ich Enttäuschung. Ich merkte sofort die körperliche Reaktion darauf, die ein unangenehmes Gefühl mit sich brachte.

Im nächsten Moment war ich schon dabei, mir im Kopf zu überlegen, was denn nun das Gute daran ist, dass meine Vorschläge nicht angenommen wurden und was für Vorteile das für mich hat.

Das Perfide daran: Ich tat es nicht, um mich aufzubauen, sondern um dem unangenehmen Gefühl der Enttäuschung auszuweichen.

Das Gute daran: Ich merkte es sofort! Ich erwischte mich sofort dabei, diese Situation für mich ins Positive drehen zu wollen und dass der Grund dahinter das “Nicht fühlen wollen” war. Und in dem Moment ließ ich die Enttäuschung zu.

Es war nicht das erste Mal, dass ich in einer solchen Situation war. Seit ich mich mit Persönlichkeitsentwicklung befasse und selber viel “Inner Work” betrieben habe, gab es immer wieder Situationen, in denen ich meine Gedanken “gedreht” habe. Nur habe ich inzwischen verstanden, dass dies auf Dauer nicht nur nicht funktioniert, sondern sogar schädlich sein kann. Warum das so ist und was toxische Positivität bedeutet, darum soll es jetzt gehen.

Warum krampfhaft positives Denken schädlich ist

Was ist toxische Positivität?

Zunächst einmal ist es wichtig zu verstehen, was toxische Positivität überhaupt bedeutet. Grundsätzlich ist es so, dass eine positive Grundeinstellung uns im Leben hilft, gesünder und mit mehr Wohlbefinden durchs Leben zu gehen. Wenn wir dem Negativity Bias – dem natürlichen Drang, überall Gefahren und Bedrohungen zu sehen und negativen Gegebenheiten mehr Aufmerksamkeit zu schenken – bewusst entgegen treten, macht uns das glücklicher und zufriedener.

Toxische Positivität ist aber dann gegeben, wenn um jeden Preis versucht wird, alles positiv zu sehen und keine (vermeintlich) negativen Gefühle und Emotionen mehr zuzulassen. Schließlich müssen wir ja in allem das Positive sehen, um nicht wieder zu einem Pessimisten zu werden, richtig? (Achtung, das war Ironie!)

Es ist also der Drang, nur noch Positives fühlen und denken zu wollen und alles Negative abzublocken. Genau das, was ich vor ein paar Tagen erlebt habe…

Ein Ausflug ins Nervensystem

Warum krampfhaft positives Denken schädlich ist, ist im Nervensystem begründet. Der Körper ist darauf ausgerichtet, bei einer Bedrohung sofort in den Kampf-, Flucht- oder Erfrieren-Modus zu schalten.

Eine Bedrohung muss dabei aber nichts sein, das du bewusst als solche wahrnimmst, sondern dein Gehirn entscheidet, was es als Bedrohung einstuft. Es ist also keine bewusste Reaktion, die abläuft, sondern eine unbewusste.

Bei einer Bedrohung wird eine Stressreaktion ausgelöst, der Körper schaltet auf “Überlebensmodus” und sorgt dafür, dass das reine Überleben gesichert ist. Alles Andere ist in dem Moment nicht relevant. Es geht nämlich nicht um ein bestmögliches, glückliches Leben in dem Moment, sondern einfach nur darum, am Leben zu bleiben, egal wie!

Zur Stressreaktion gehören auch bestimmte körperliche Gefühle, wie z.B. ein erhöhter Herzschlag, Enge im Brustkorb etc. Diese können wir grundsätzlich wahrnehmen, wenn wir in einer Situation sind, in der unser Überleben de facto NICHT bedroht ist. Dazu zählt mein Beispiel mit dem Vortrag oder wenn wir uns mit jemandem streiten und uns das aufregt. Das gegenteilige Beispiel ist, wenn ein Auto auf uns zu rast und wir gucken müssen, dass wir nicht überfahren werden. Wenn wir dann erst ins Fühlen gehen, könnte es schon zu spät sein.

Diesen körperlichen Gefühlen folgen auch meist Emotionen, wie z.B. Angst, Wut, oder wie bei mir die Enttäuschung. Auch diese können wir grundsätzlich wahrnehmen, wenn wir gerade die Möglichkeit dazu haben bzw. es zulassen.

Ab hier gibt es dann zwei Möglichkeiten, mit der Stressreaktion umzugehen: Entweder, sie wird ausgelebt oder verdrängt. Wird die Reaktion ausgelebt – über Kampf, Flucht oder einfach spüren, dass sie da ist – kehrt der Körper von alleine in einen Zustand der sog. Homöostase zurück. Denn wenn der Körper erkennt, dass die Bedrohung vorbei oder gar nicht erst vorhanden ist, ebbt die Stressreaktion automatisch ab.

Wird die Stressreaktion jedoch verdrängt, bleibt sie im Körper und kann sich langfristig negativ auswirken und in einem dysregulierten Nervensystem (ein Nervensystem, das dauerhaft aus der Balance geraten ist) niederschlagen.

Ist positives denken schädlich? Das passiert, wenn du positives Denken auf eine Stressreaktion überstülpst

Kommen wir nun zu des Pudels Kern am Beispiel meiner eigenen Reaktion auf die Ablehnung meiner Vorträge. Die Absage hat in mir eine Stressreaktion ausgelöst. Das habe ich ganz klar gespürt, weil ich das inzwischen sehr gut wahrnehmen kann. Ich spürte sofort Enge im Brustkorb, ich konnte schwer atmen und die Emotion “Enttäuschung” folgte auf dem Fuße.

Wenn ich jetzt, wie ich es ursprünglich begonnen hatte, meine Gedanken verändere in Richtung “Da ist sicher ein tieferer Sinn hinter.” oder “Wer weiß, wofür es gut ist.”, gehe ich in die Verdrängung. Und Verdrängung sorgt für noch mehr Stress im Körper.

Was ich also mache, wenn ich krampfhaft versuche, positiv zu denken, ist, noch mehr Stress in mein Nervensystem zu bringen. Ich lebe die Stressreaktion nicht aus, sondern gebe ihr sogar noch Brandbeschleuniger dazu.

Das ist wirklich toxisch!

Mit krampfhaft positivem Denken sorgst du im schlimmsten Fall also dafür, dass diese Reaktion sich in dich hineinbrennt und dein Nervensystem dauerhaft aus der Balance bringt. Wenn du das bei nur einer Gelegenheit machst, wird das sicher keine negativen Konsequenzen nach sich ziehen. Aber wie oft machst es tatsächlich? Sicher mehr als nur ein Mal! Und das ist es, was auf Dauer schädlich ist.

Denn ein dysreguliertes Nervensystem ist nicht nur eine geringfügige Beeinträchtigung. Es ist ein echtes Problem für deine Gesundheit auf allen Ebenen und dein Wohlbefinden.

Die Lösung: Lass alle Gefühle zu!

Ja, die Headline dieses Abschnitts verrät es schon: Die Lösung an dieser Stelle ist, alle Gefühle zuzulassen. Eine Neurowissenschaftlerin hat mal herausgefunden, dass Gefühle etwa 90 Sekunden im Körper andauern. Danach verschwinden sie grundsätzlich von alleine wieder – sofern du ihnen kein neues Futter gibst, das sie am Leben hält.

Wenn du dir also erlaubst, das Gefühl zu fühlen, das du in einem bestimmten Moment hast, verschwindet es nach kurzer Zeit von alleine wieder und dein Nervensystem geht von alleine zurück in den Balance-Zustand.

Aber eben genau das ist die Voraussetzung: Dass du das Gefühl spürst und dir erlaubst, dass es da sein darf. Wenn du dagegen ankämpfst, bist du im Widerstand und Widerstand ist nichts Anderes als ein erneuter Angriff auf dein Nervensystem.

Es gilt also, alle Gefühle zu fühlen (oder zu spüren) und sie zu erlauben. Ist dir das möglich, ebbt die Reaktion von alleine ab und der Stress ist verschwunden. Und dann kannst du auch liebend gerne anfangen, aus einem entspannten Zustand heraus das Positive an der Situation zu sehen.

Ja, das habe ich bei dem Thema mit dem Vortrag letztendlich auch gemacht. Nachdem ich meine Enttäuschung gespürt und zugelassen habe, enttäuscht zu sein, dass ich nicht über meine Lieblingsthemen sprechen kann, war ich wieder entspannt und konnte eine ganz andere Perspektive einnehmen.

Ich konnte vor allem erkennen, dass die Absage kein Angriff gegen mich als Person war (wie ich es empfunden hatte, als ich die Absage gelesen habe; mein Gehirn hat da halt eine Bedrohung draus gemacht, denn Absage = “Wir wollen dich nicht” = mein Überleben ist gefährdet, wenn ich aus der Gemeinschaft verdrängt werde). Ich konnte sehen, dass es einfach ein Ereignis war, das ich nicht beeinflussen konnte und das mit mir als Person gar nichts zu tun hatte.

Ich konnte die Absage hinnehmen, mich bedanken und sogar noch eine andere Lösung vorschlagen (dass ich über mein Vortragsthema im Podcast des Veranstalters spreche, was ich dann auch getan habe. Das Interview kannst du dir hier anhören.).

Wäre ich meinem ursprünglichen Impuls gefolgt, das Thema für mich sofort durch positives Denken drehen zu wollen, bin ich mir sicher, dass ich noch Tage darüber nachgedacht und mich angegriffen gefühlt hätte. So kann ich jetzt an die Situation denken, ohne dass sie noch etwas in mir auslöst und kann positiv nach vorne blicken, weil ich weiß, dass andere Lösungen da sind und mein Überleben trotzdem gesichert ist.

Fazit

Nein, ich bin nicht per se gegen positives Denken. Ich finde es sogar sehr wichtig, eine positive, gelassene Einstellung dem Leben gegenüber zu haben und sich nicht vom Negativen überrollen zu lassen (In diesem Beitrag erfährst du übrigens, wie ich es geschafft habe, positiver denken zu lernen und zur lebensbejahenden Optimistin zu werden – jenseits von “Du musst positiv denken” und “Good vibes only”).

Das darf aber nicht dazu führen, dass (vermeintlich) negative Gefühle und Emotionen verdrängt und nicht mehr gefühlt werden. Auch da gibt es einen Grund, dass sie da sind und sie wollen und müssen sogar gefühlt werden, auch wenn es vielleicht unangenehm ist.

Du kannst dir aber sicher sein: Dein Nervensystem und dadurch auch deine Gesundheit und dein Wohlbefinden werden es dir danken, wenn du dir erlaubst, das fühlen zu dürfen, was du fühlst und dem etwas Raum gibst. Dann verschwindet das Gefühl nach nur 90 Sekunden auch wieder und das Thema ist dann auch durch.

Im Übrigen kannst du das “Spüren und Erlauben” auch im Nachhinein noch mit jeder Situation machen, die dir heute noch Stress bereitet. Es ist möglich, solche im Nervensystem fest sitzenden neuronalen Muster aufzulösen. Das lerne ich gerade selber sehr intensiv in meiner NESC-Coaching-Ausbildung, in der “Spüren und Erlauben” die absolute Basis-Übung ist und die mir, seit ich sie verinnerlicht habe, schon mehrfach den A**** gerettet hat.

Das ist ein echter und wahrer Game-Changer, weswegen ich ihn inzwischen bei mir selbst und auch in meinen Coachings mit meinen Kundinnen nutze. Der Effekt ist einfach… WOW!

Hier findest du eine Meditation von mir, mit der du das “Spüren und Erlauben” üben und anwenden kannst.

Du willst deine neuronalen Muster auflösen im Nervensystem auflösen, um wieder völlig entspannt und gelassen zu sein? Hier findest du alle Infos zu meinem Coaching-Angebot.

In diesem Sinne: Happy “Feeling and Allowing”! 💖

 

And remember: Live la vida loca!

Namasté

Deine Claire

Kommentar

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