Was ist ein dysreguliertes Nervensystem?

Was ist ein dysreguliertes Nervensystem?

Vielleicht hast du den Begriff (bei mir oder bei anderen) schon mal gehört und hast dich gefragt: Was ist das eigentlich, ein dysreguliertes Nervensystem?

Diese Frage möchte ich heute mit diesem Beitrag für dich beantworten, indem ich erst einmal darauf eingehe, was ein reguliertes Nervensystem ausmacht. Denn daraus ergibt sich automatisch die Antwort darauf, was ein dysreguliertes System ausmacht. Außerdem erfährst du, was dazu führt, dass ein Nervensystem in einen dysregulierten Zustand gerät.

Das regulierte Nervensystem

Überblick

Ein reguliertes Nervensystem ist ein Nervensystem, das in Balance ist und in der sich die Phasen von Aktivierung und Entspannung natürlich abwechseln.

Das bedeutet konkret, dass das Nervensystem nach einer Stressreaktion, auf die du keinen direkten Einfluss hast, wieder von alleine in den Zustand der Entspannung zurückfindet. Um von dort bei der nächsten Stressreaktion wieder in die Aktivierung zu gehen.

Nach einer Stressreaktion bleibt also kein Stress im Nervensystem gefangen, das Nervensystem fährt herunter und landet wieder im Entspannungsmodus, bevor wieder ein Stressor kommt, der das System wieder “hochfährt”.

Dabei ist das Grundlevel der Aktivierung relativ niedrig und oszilliert um einen niedrigen Mittelwert herum.

Um es noch deutlicher zu machen, ist hier eine kleine Grafik:

So verhält sich ein reguliertes Nervensystem

Wie du siehst, ist die Basislinie auf einem grundsätzlich niedrigen Aktivierungslevel. Es kommen immer wieder Stressoren hinzu, die bis zum immer gleichen (oder ähnlichen) Erregungshöhepunkt gehen, um dann natürlich wieder abzuflachen.

Hinzu kommt die Nervensystem-Kapazität. Ist das sog. Toleranzfenster groß genug – wie es bei einem regulierten Nervensystem der Fall ist – ist das Nervensystem Stressoren gewachsen und kann sich selbst regulieren.

Zusammenfassung: Das zeichnet ein reguliertes Nervensystem aus

Zusammengefasst zeichnet ein reguliertes Nervensystem aus:

  • Die Basislinie hat ein niedriges Grund-Aktivierungs-Level.
  • Die Nervensystem-Kapazität und damit das Toleranzfenster ist ausreichend groß.
  • Das Nervensystem reguliert sich selbst.
  • Die Ausschläge sind gleichmäßig.
  • Aktivierungs- und Entspannungsphasen wechseln sich gleichmäßig ab.

Das dysregulierte Nervensystem

Überblick

Jetzt, wo klar ist, was ein reguliertes Nervensystem ausmacht, ist es leichter zu erklären, was ein dysreguliertes Nervensystem ausmacht. Es ist nahezu das Gegenteil dessen, was ich gerade beschrieben habe.

Ein dysreguliertes Nervensystem ist ein Nervensystem, bei dem grundsätzlich ein höheres Aktivierungslevel vorliegt. D.h. die Basislinie ist per se erhöht und die völlige Entspannung ist kaum möglich, da selbst der “entspannte” Zustand auf einem höheren Aktivierungslevel stattfindet.

Die Ausschläge bei einem dysregulierten Nervensystem sind wesentlich unregelmäßiger und sehr ungleich verteilt. Außerdem kommt das Nervensystem nur schlecht von alleine wieder in einen entspannteren Zustand, d.h. die Aktivierung dauert oft auch länger an.

Der Stress bleibt im Nervensystem gefangen und kommt immer wieder neu zum Vorschein in Situationen, die dem ursprünglichen Auslöser ähneln.

Auch hier habe ich wieder eine Grafik, die das verdeutlicht:

So verhält sich ein dysreguliertes Nervensystem

Du siehst deutlich, dass das Aktivierungslevel erhöht ist und wie unregelmäßig die Ausschläge sind.

Außerdem ist das Toleranzfenster hier wesentlich kleiner, d.h. das Nervensystem kann schlechter mit Stressoren umgehen, gerät leichter in Stress und kommt schwerer in die Balance zurück.

Das zeichnet ein dysreguliertes Nervensystem aus

Zusammengefasst zeichnet ein dysreguliertes Nervensystem aus:

  • Die Basislinie hat ein hohes Grund-Aktivierungs-Level.
  • Die Nervensystem-Kapazität und damit das Toleranzfenster ist kleiner als im regulierten Zustand.
  • Das Nervensystem reguliert sich nicht selbst, der Stress bleibt im Nervensystem
  • Die Ausschläge sind unregelmäßig.
  • Entspannungsphasen sind kurz und nicht besonders tief (durch die höhere Grundaktivierung).

Wodurch gerät ein Nervensystem in die Dysregulation?

Jetzt ist natürlich noch spannend zu wissen, warum ein Nervensystem überhaupt aus der Balance gerät und sich dysreguliert. Es gibt dafür drei Hauptgründe:

  1. Entwicklungs- und Bindungstraumata: In der frühen Kindheit kann sich das Nervensystem eines Menschen noch nicht selbst regulieren und ist auf die Regulation durch Bezugspersonen angewiesen (sog. Co-Regulation). Gibt es hier “Störungen” (wie z.B. das Schreienlassen, das früher sehr populär war), kann sich das im Nervensystem festsetzen und das Nervensystem dysreguliert sich.
  2. Schocktraumata: Schocktrauma entsteht dann, wenn zu schnell zu viel passiert und eine Person kann dies nicht halten. Dies ist oft bei Unfällen, Naturkatastrophen und anderen plötzlich eintretenden Ereignissen der Fall, die eine Person überfordern können.
  3. Chronischer Stress: Sind wir im chronischen Stressmodus, gewöhnt sich der Körper an diesen Zustand und sieht ihn als das “neue Normal” an. Dadurch gerät das Nervensystem ebenfalls aus der Balance.

Mehr darüber, was Stress ist und wie er entsteht, erfährst du in diesem Beitrag.

Zusammenfassung

Ein dysreguliertes Nervensystem ist ein aus der natürlichen Balance geratenes Nervensystem, das sich nicht mehr selbst regulieren kann und ein hohes Aktivierungslevel aufweist.

Dies ist jedoch kein Schicksal, dem du nicht entrinnen kannst, denn durch Regulationstechniken kannst du dein Nervensystem wieder in die Balance bringen. Diese führen dazu, dass sich die Kapazität erhöht und dein Nervensystem besser mit Stressoren umgehen und sich wieder selbst regulieren kann.

In diesem Sinne: Happy regulating! 😉

See yourself. Be yourself. Free yourself.

Namasté

Deine Claire